Komm, wir kopieren ein Geschäftsmodell!

Aus ökonomischer Sicht muss eine Innovation ein wichtiges Kriterium erfüllen: andere müssen dafür eine Zahlungsbereitschaft haben. Das ist für sehr viele Menschen da draußen bezüglich der eBay-Services erfüllt. Das eBay-Geschäftsmodel ist erfolgreich. Doch als die Online-Auktionsplattform eBay noch neu war gründeten die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer ein Unternehmen mit dem Namen Alando. Damals sprach man schnell von einem eBay-Klon, der da entstanden war. Ungefähr sechs Monate später verkauften die drei Brüder ihr Unternehmen an eBay.

Wenn neue Geschäftsmodelle funktionieren lädt das natürlich auch andere Unternehmen dazu ein, dieselben oder auch nur ähnliche Angebote zu machen, wenn sie an den neu entstandenen Gewinnmöglichkeiten partizipieren wollen. Allerdings war eBay der first mover. Die Macher von eBay verfügten offensichtlich über schöpferisches Potenzial und das haben sie auch realisieren können. Im Vergleich zu Alando – dem Nachahmer – waren sie bereit das deutlich größere Risiko auf sich zu nehmen, denn wenn sie tatsächlich die Ersten waren, haben sie nicht wissen können, ob ihr Tun vom ökonomischen Erfolg gekrönt sein würde. Sie haben das unternehmerische Risiko voll getragen.

Sollten imitative Gründer oder Trittbrettfahrer nicht besser an den Kosten der Entstehung oder Ingangsetzung eines Geschäftsmodells beteiligt werden?

So könnte das Trittbrettfahren vermieden oder immerhin begrenzt werden. Gäbe es einen wirksamen Mechanismus zum Schutz der Investitionen des first movers, würde die Kostenbeteiligung ihren drohenden Schatten aus der Zukunft in die Gegenwart werfen und die potenziellen Nachahmer ggf. davon abhalten, tatsächlich nachzuahmen. Der Mechanismus müsste in etwa so wirken, wie ein durchsetzbarer Patentschutz.

Aber es lohnt sich die Suche nach anderen, denen durch das Kopieren eines Geschäftsmodells vielleicht Vorteile entstehen. Die sind schnell gefunden, denn wenn mehr Unternehmen in einen Markt eintreten, müssen plötzlich alle ihren potenziellen und aktuellen Kunden im Vergleich zu den Wettbewerbern tendenziell immer attraktivere Verhältnisse von Preisen und Leistungen bieten. Die Kunden profitieren also nicht nur stark von der innovativen Gründung oder der Innovation selbst, sondern nochmals von Leistungs- und Preisvorteilen, die ihnen zugeteilt werden, wenn in einer wettbewerblichen Ordnung erfolgreiche Geschäftsmodelle von weiteren Anbietern kopiert werden. So gesehen ginge ein Mechanismus, der Copycats einschränkt oder sogar unterbindet, zu Lasten der Kunden und der Entwicklung. Können wir das wollen?

Geschäftsmodelle wurden zu jeder Zeit kopiert, wenn sie erfolgreich waren.

Ein Geschäftsmodell zu kopieren ist überhaupt nichts Ungewöhnliches. Es ist auch kein neues Phänomen, denn so machte man es ja schon in der Ökonomie des Vor-Internet-Zeitalters. (In meiner Wohngegend gibt es im Radius von 200 Metern vermutlich mehr als 10 Schuhgeschäfte.) Und so braucht man sich gar nicht zu wundern oder zu empören, es entspricht schlicht der Logik unserer Wirtschaftsordnung, wenn Unternehmen sich im Wettbewerb zugunsten der Käufer gegenseitig Schäden zufügen. Wettbewerb bedeutet: der Gewinn des Einen ist der Verlust des Anderen. Wettbewerb ist überwiegend ein absichtlich etabliertes Gefangenendilemma und wir wollen das so!

Nun sind Sie vielleicht mit mir der Meinung, es war ganz schön dreist und frech, eBay einfach zu kopieren und die Kopie dann dem Unternehmen, das kopiert worden ist, zum Kauf anzubieten. Verstößt so eine Vorgehensweise also immerhin gegen moralische Vorstellungen und Erwartungen?

Einen moralischen Vorwurf könnte man wohl formulieren, aber ich fürchte, er würde einer Debatte nicht lange standhalten. Die drei Brüder haben sich gemäß der Rationalität der marktwirtschaftlichen Ordnung verhalten, und auf der Handlungsebene Markt bei der Suche nach Gewinnmöglichkeiten schlicht einige der Spielzüge ausgeführt, die durch die Spielregeln der Wirtschaftsordnung so auch vorgesehen waren. Ich meine es lohnt sich daran zu erinnern, dass bestehende Regeln zugleich auch moralische Anforderungen der Gesellschaft repräsentieren.

Nun könnte man noch der Idee nachgehen, dass doch im Falle eines Defizits der Wirtschaftsordnung die Verantwortung von der Ordnungsebene an die im Wirtschaftssystem Handelnden zurück delegiert wird. Sie sind es doch, von denen wir im Einzelfall diese Verantwortung erwarten müssen! Aber dies spricht dagegen:

„Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann.“ Marcus Tullius Cicero (106-43 v. Chr.)

Mag sein, dass die Wirtschaftenden hier Verantwortung tragen sollten, aber das Ermessen ist höchst subjektiv und Sollen setzt bekanntlich Können voraus. Selbst wenn es den Copycats peinlich ist Geschäftsideen von anderen zu kopieren ist davon auszugehen, dass sie es dennoch tun, obwohl damit dann das eigene Unvermögen öffentlich dokumentiert ist, selbst keine Ideen zur Welt bringen zu können, die ökonomisch auch nur annähernd so tragfähig sind, wie das Original. Peinlichkeit und Scham sind jedoch Gefühle, die jemand erst einmal ausreichend stark empfinden muss, damit sie ihre Steuerungswirkung entfalten.

Aus ökonomischer Sicht ist die Steuerungskraft eines peinlichen Gefühls aber erschöpft, wenn die im Gegenzug dafür erlangte oder auch nur erwartete Kompensation einen subjektiven Nutzen stiftet, der die empfundenen Nachteile aus Scham und Peinlichkeit übersteigt. Dazu gehört auch das eigene Bewusstsein in der Wirtschaft eine nachteilige Reputation dafür aufzubauen, eben nur ein Trittbrettfahrer und überhaupt nicht innovativ zu sein. Aber welche Bedeutung haben ein peinliches Gefühl und eine Reputation für Trittbrettfahrerverhalten im Verhältnis zu $43 Millionen, die eBay offenbar gezahlt hat, um Alando vertikal integrieren zu können? So schließt sich der Kreis, denn aus ökonomischer Sicht muss eine Innovation doch ein wichtiges Kriterium erfüllen: andere sollen dafür eine Zahlungsbereitschaft haben.

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